Es gibt Filme, bei denen sich Menschen wie ich schrecklich fühlen. Schrecklich dumm. Wenn die Protagonisten etwas tun, was mich kognitiv völlig überfordert. Schach spielen zum Beispiel. In «The Queen’s Gambit», der brillanten Netflix-Serie über den Aufstieg einer jungen amerikanischen Schachspielerin in die Weltelite, bewegt Anya Taylor-Joy, alias Beth Harmon, die Figuren mit göttlicher Gabe. Das sagt die Geschichte. Denn ich kann zwar mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, wann Federer bei einem Netzangriff ins Elend läuft und wohin Cristiano Ronaldo seinen Freistoss zirkelt (auf die Tribüne), aber eine Damenindische Verteidigung und eine Fesselung muss ich Anya Taylor-Joy einfach abnehmen. Ihr Blick ist dazu – hach - betörend. Die muss das können.
Aber zurück zu meiner strategischen Kapazität. Die offenbart sich schon beim Mühle-Spiel. Meine Frau gewinnt von 20 Partien exakt 20 Partien. Dann tätschelt sie meine Hand und lächelt mitleidig. Wenn man dazu weiss, dass Mühle zwischen zwei guten Schachspielern immer unentschieden ausgeht, weil es viel zu einfach ist, schlägt das eine weitere tiefe Kerbe in mein Selbstbewusstsein. Ich bin dumm wie Brot. Das gibt mir gleichzeitig Hoffnung. Denn ein Freund von mir hat übers Brot backen gezeigt, was ein Mensch alles erreichen und wieviel er lernen kann. Bis vor ein paar Jahren arbeitete der HSG-Absolvent in der Finanzindustrie im Kanton Zug. Und in seiner Freizeit buk er zuhause Kuchen. Und Brot. Bis ihm seine Freunde rieten, daraus ein Business zu machen. Weil er die Sinnhaftigkeit in seinem Job sowieso vermisste, schmiss er hin, begann Baguettes zu backen und nannte es «Mission best Baguette». Der Rest ist fast Geschichte. Seri Wada hat es von seinem Ofen in der heimischen Küche bis zum Laden am HB Zürich geschafft. Weil er wissbegierig und ehrgeizig ist. Und – okay – einen ziemlich guten Sinn fürs Marketing hat. Seine Story hat er jedem Lifestyle-Schreiber im Land verkauft, auch denen, die nichts davon wissen wollten. Bis er schliesslich bei Aeschbacher im Fernsehen hockte und über Baguettes schwafelte. Ich traute meinen Augen nicht. Als nächstes will er die besten Baguettes von Paris backen, dann den französischen Staatspräsidenten beliefern. Die Geschichte machen wir dann zusammen, hat er mir versprochen. Und er hat mir auch gesagt, dass er jede Woche etwas Neues lernt. Beispielsweise hat er sich selber das Schmetterlings-Schwimmen beigebracht. Weil er bis jetzt noch nicht reich wurde, sich also auch keinen Schwimmlehrer leisten konnte. Seri schaute Youtube-Videos, ging ins Schwimmbad und schwamm. Zunächst empfand er die ersten 10 Meter schon als Nahtoderlebnis, dann wurde er besser. Jetzt heizt er wie die anderen Wahnsinnigen die Bahn rauf und runter. Im Schmetterlings-Stil. Schon mal gemacht? Viel Glück!
Er hat mir auch noch gesagt, dass er derzeit gerade alles mit links schreibe. Mit der linken Hand. Auch das habe er sich innerhalb einer Woche beigebracht. Das sei gut fürs Gehirn. Vielleicht sollte ich da ansetzen. Mit links schreiben, Schritt für Schritt aus meinem intellektuellen Zwergenland ausbrechen und irgendwann werde ich dann möglicherweise eine Schachfigur bewegen, meiner Frau ein Bauernopfer anbieten – um dann eiskalt zuzuschlagen.
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